Nationale Stickstoffbilanzen
In Form von Protein ist Stickstoff (N) lebenswichtig für die Ernährung von Menschen und Tieren. Auch Pflanzen benötigen Stickstoff, um gute Erträge zu erreichen.
Bei der Tier- und Pflanzenproduktion gelangt jedoch auch Stickstoff in die Umwelt. Die Betrachtung der Stickstoffflüsse gibt Aufschluss darüber, wo Massnahmen ansetzen können.
N-Flüsse innerhalb der Schweizer Landwirtschaft
Wie viel auf unsere Teller oder in die Umwelt gelangt, bilanziert Agroscope jährlich mit der OSPAR-Methode (Hoftorbilanz). Dabei betrachtet man die Landwirtschaft der Schweiz als einen einzigen Betrieb. Als Input gilt alles, was von aussen in diesen Betrieb gelangt: die importierten Futtermittel, Mineraldünger, Recycling- und übrige Dünger (Kompost, Rübenkalk etc.), importiertes Saatgut, fixierter Stickstoff sowie die N-Deposition aus der Luft. Als Outputs verlässt rund ein Drittel des eingesetzten Stickstoffs die Landwirtschaft: Als Proteine in Fleisch, Eiern, Milchprodukten, Getreide und Gemüse landet er auf unseren Tellern. Die Differenz (Verluste) gelangt in verschiedenen Formen in die Umwelt. Dort können reaktive Stickstoffverbindungen Schäden anrichten, wenn sie das tragbare Niveau überschreiten:
Ammoniak (NH3) verändert sensible Ökosysteme wie Moore und Wälder.
Nitrat (NO3) belastet das Grundwasser und unsere Gesundheit. Über Oberflächengewässer kann es zudem weitertransportiert werden und führt so beispielsweise zu Eutrophierung in der Nordsee.
Lachgas (N2O) ist ein Treibhausgas mit hoher Wirkung auf das Klima.
Stickstoffbilanz der Schweizer Landwirtschaft nach OSPAR-Methodik für die Jahre 1990 bis 2022. Die Ansicht lässt sich über die Filter auf der linken Seite einstellen. Datenquelle: Spiess E. und Liebisch F. (2024): Nährstoffbilanz der schweizerischen Landwirtschaft für die Jahre 1975 bis 2022. Agroscope (2024), Agroscope-Science Nr. 198
In der aktuellen Bilanz fallen vier Aspekte ins Auge:
Die N-Mengen in den importierten Futtermitteln erreichten 2022 einen neuen Höchststand. Das inländische Kraftfutter blieb konstant. In der Schweizer Landwirtschaft wird gesamthaft immer mehr Kraftfutter eingesetzt.
Der Mineraldüngerverbrauch war 2022 weiter rückläufig.
Die Importe an Stroh und insbesondere an Raufutter weisen langfristig einen steigenden Trend auf. Die N-Mengen in den tierischen Produkten steigen langfristig etwas an.
Die jährlichen Schwankungen bei Mineraldünger und Futtermittel sind aufgrund der Witterung, Produktionsmittelpreise und anderer Einflüsse gross. Die Schwankungen bei Mineraldünger sind vor allem auf die gestiegenen Energie- und damit Produktionsmittelpreise aufgrund des Ukraine-Konfliktes zurückzuführen.
Der im Rahmen der Parlamentarischen Initiative Pa. Iv. 19.475 beschlossene Absenkpfad Nährstoffe sieht vor, diese Verluste in die Umwelt bis 2030 um 15 Prozent gegenüber 2014-2016 zu reduzieren.
N-Flüsse über die gesamte Wertschöpfungskette
Die Bilanzierung der N-Flüsse über die gesamte Wertschöpfungskette wurde in einer Studie von Infras für das Jahr 2018 erstellt. Sie verdeutlicht, dass Stickstoff auch über das Abwasser und somit indirekt über den Konsum in die Umwelt gelangt. Dabei zeigt sich jedoch, dass die Stickstoffmenge im Abwasser mit 45,6 Kilotonnen (kt) pro Jahr halb so gross ist wie die N-Emissionen aus der Landwirtschaft (128 kt pro Jahr, Abbildung 1 zeigt nicht alle Flüsse aus der Landwirtschaft).
Abbildung 1: Stickstoffflüsse über die gesamte Wertschöpfungskette. Die Grösse der Stickstoffflüsse ist in kt N/Jahr angegeben und bezieht sich auf das Jahr 2018.
Quelle: INFRAS 2022, vereinfachte Darstellung BLW
Stickstoff-Recycling aus Abwasser
Insgesamt ist die Landwirtschaft die grösste Verursacherin für den Ausstoss reaktiver Stickstoffverbindungen (v. a. Nitrat, Ammoniak und Lachgas). Dennoch stellt sich die Frage, ob es sinnvoll wäre, den Stickstoff im Abwasser als Dünger zu recyceln.
Die Rückgewinnung von Stickstoff aus Abwasser ist technisch möglich. Diese Verfahren brauchen allerdings viel Energie und kosten relativ viel. Der Einfluss auf N-Verluste von der Landwirtschaft in die Umwelt ist aber limitiert. Zwar müssten weniger Mineraldünger importiert werden, wenn Stickstoff aus Abwässern als Dünger genutzt würde. Die Abfallwirtschaft würde also effizienter, da ein Teil ihrer N-Emissionen nun in die Landwirtschaft fliessen würde. Ohne Massnahmen zur Verbesserung der Effizienz in der Landwirtschaft (z. B. präzisere Düngung) wird so der Stickstofffluss im ganzen System nur umverteilt.
Um die Umwelt zu entlasten, ist es weniger energieintensiv und deutlich günstiger, wenn der Stickstoff im Abwasser über das Anammox-Verfahren in den für die Umwelt unschädlichen Luftstickstoff (N2) umgewandelt wird. Allerdings ist dieser Stickstoff dann für die Landwirtschaft nicht mehr verfügbar. Es handelt sich nicht um ein Recyclingverfahren, sondern um den Umkehrprozess der Düngerherstellung und der biologischen N-Fixierung. Verschiedene Kantone rüsten aktuell ihre Abwasserreinigungsanlagen (ARA) mit diesem Verfahren auf.
Weitere Informationen
Quellen
Aktualisierung Stoffflussanalyse Stickstoff für das Jahr 2018 INFRAS 2022
Agroscope (2024), Agroscope-Science 198
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